TdL und Hessen
Equal Pay: Vergleich mit einzelnem besserverdienenden Kollegen zulässig
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 23. Oktober 2025 ein Grundsatzurteil im Hinblick auf „Equal Pay“ gefällt. Beim Vergleich der Gehälter müsse sich die Klägerin nicht am Mittelwert der Gehälter der männlichen Kollegen orientieren. Vielmehr könne sie als Vergleichsmaßstab auch das Gehalt eines einzelnen, überdurchschnittlich verdienenden Kollegen heranziehen (BAG, Pressemitteilung zum Urteil vom 23. Oktober 2025, Aktenzeichen 8 AZR 300/24).
Der Fall
Die Klägerin war seit 15 Jahren als Abteilungsleiterin bei der Daimler Truck AG tätig. Vor Gericht begehrte sie, beim Gehalt mit einem männlichen Kollegen mit vergleichbarer Tätigkeit gleichgestellt zu werden. Sie zog dabei das Gehalt des männlichen Spitzenverdieners unter den mit ihr vergleichbaren Abteilungsleitern heran und verlangte rückwirkend die Differenz zwischen ihrem und seinem Gehalt.
Das Gehalt des Spitzenverdieners lag deutlich über dem Median der männlichen vergleichbaren Beschäftigten. Der Median der männlichen Vergleichsgruppe wiederum lag über dem Median der weiblichen Vergleichsgruppe. Das Gehalt der Klägerin lag schließlich unterhalb des Medians der weiblichen Vergleichsgruppe.
Die Entscheidung
Arbeitnehmende haben einen Anspruch auf Anpassung ihres Gehalts, wenn sie aufgrund ihres Geschlechts ungerechtfertigt benachteiligt werden. Der Anspruch wird aus §§ 1 und 3 Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) sowie Artikel 157 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) abgeleitet. Dafür nötig ist nach § 22 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) der Beweis von Indizien, die eine Benachteiligung aufgrund des Geschlechts vermuten lassen. Dann muss die Gegenseite diese Vermutung widerlegen, um den Vorwurf der Diskriminierung zu entkräften.
Im Kern ging es vorliegend um die Frage, ob das Gehalt des von der Klägerin genannten männlichen Spitzenverdieners als Indiz die Vermutung der Diskriminierung begründe, sodass ihr Gehalt, um die Benachteiligung zu beseitigen, auf sein Gehalt angehoben werden müsse. Das Landesarbeitsgericht (LAG) lehnte mit folgender Begründung ab: Zwar könne das Gehalt eines einzelnen, gleichwertige Arbeit verrichtenden Kollegen zur Begründung der Vermutung aus § 22 AGG ausreichen. Vorliegend sei aber unstrittig, dass der Median bei den männlichen vergleichbaren Arbeitnehmenden niedriger liege. Das sei bei der Würdigung mit einzubeziehen und führe dazu, dass das Gehalt des einzelnen Spitzenverdieners nicht als Indiz für die Benachteiligung gelten könne. Das LAG sprach der Klägerin dann die Differenz zwischen dem Median der weiblichen und dem Median der vergleichbaren männlichen Angestellten zu. Dem erteilte das BAG nun eine deutliche Absage. Laut BAG brauche es im Hinblick auf § 22 AGG keine überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine geschlechterbedingte Benachteiligung. Die Größe der männlichen Vergleichsgruppe und die Höhe der Medianentgelte beider Geschlechtsgruppen seien für das Eingreifen der Vermutungswirkung ohne Bedeutung. Die Klägerin habe in Bezug auf eine Vergleichsperson hinreichende Tatsachen vorgetragen, die eine geschlechtsbedingte Entgeltbenachteiligung vermuten ließen.
Zur endgültigen Entscheidung verwies das BAG die Sache zurück ans LAG. Dort hat die Arbeitgeberin nun Gelegenheit, Tatsachen vorzutragen, um die Vermutung einer geschlechterbedingten Benachteiligung zu widerlegen.
Das Fazit
Der so genannte Gender-Pay-Gap, also der Gehaltsunterschied zwischen Männern und Frauen, beträgt laut Statistischem Bundesamt auch heute noch (je nach Berechnungsweise) sechs beziehungsweise 16 Prozent. Das Urteil des BAG ist ein weiterer Schritt auf dem Weg zur Beseitigung dieses Missstands.


